Peter Wensierski - Als Reisekorrespondent in der DDR

Peter Wensierski - Als Reisekorrespondent in der DDR

Peter Wensierski wird 1954 in Heiligenhaus (Nordrhein-Westfalen) geboren. Während seiner Kindheit reist er gelegentlich zu Verwandten in ein ostdeutsches Dorf, aus dem seine Mutter stammt. Dort begegnet er der DDR-Alltagswelt, was er als eine Art Zeitreise in die Vergangenheit empfindet. Später ist die DDR kaum noch in seinem Blickfeld, auch die Reisen nach Ostdeutschland finden nicht mehr statt.

Mit dem Ziel, Journalist zu werden, studiert Wensierski ab 1973 Publizistik, Politik und Geschichte in Westberlin. Für den Studenten stehen vor allem Themen wie Giftgasfunde und Umweltverschmutzung in Westberlin oder die Unruhen im Szeneviertel Kreuzberg im Mittelpunkt. Für ihn und viele seiner Kommilitonen ist die DDR fast etwas Exotisches und ein Stück weit langweilig. Eine eher beiläufige Begebenheit - der Evangelische Pressedienst (EPD) sucht jemanden für eine Recherche im Osten - führt ihn zur DDR-Berichterstattung. Schließlich tritt er im Jahr 1979 eine Stelle beim EPD an und wird mit Mitte zwanzig jüngster westlicher Reisekorrespondent.

Eine seiner erste Recherchereisen führt Wensierski zum Pfingsttreffen der staatsgelenkten Jugendorganisation FDJ. Doch er interessiert sich nicht besonders für die sich nach außen präsentierende DDR. Zeitig stellt er fest, dass es hinter dieser offiziellen Fassade weitaus Spannenderes zu berichten gibt. Als Reisekorrespondent kann er sich ein wenig freier bewegen, als seine ständig akkreditierten Kollegen. Er reist durch das Land, interviewt in Magdeburg Punks, besucht die Junge Gemeinde in Berlin-Pankow, oder interviewt Jugendliche in Wittenberg. Vor allem die zahlreichen alternativen Jugendkulturen, die man mit Blauhemd und Fackelmärschen nicht mehr für die Zukunft gewinnen kann, rufen bei ihm Interesse hervor. Zudem hält er Kontakte zu den politisch-alternativen Gruppen, die sich mit den Themen Frieden oder Umwelt beschäftigen. Offizielle Genehmigungen für Recherchen über den umweltschädlichen Uranbergbau oder das Waldsterben erhält er nicht. So fährt er selbst vor Ort, nimmt an Umweltaktionen teil.

Neben den Berichten in Zeitungen und Magazinen veröffentlicht er Bücher über DDR-Jugendliche und die DDR-Friedens- und Umweltgruppen im Westen. Die westdeutschen Verlage interessieren sich jedoch kaum dafür. Das Buch „VEB-Nachwuchs“ wird sogar vom Gesamtdeutschen Institut als unbrauchbar eingestuft. Im Osten hingegen hält er mit der Beschreibung der realen Zustände den SED-Funktionären den Spiegel vor das Gesicht. Diese reagieren 1985 prompt und er wird mit einem Arbeits- und Einreiseverbot belegt.

Dennoch bleibt er dem Thema DDR treu. Seit 1986 arbeitet er als Redakteur beim Polit-Magazin „Kontraste“, welches seine Berichte auf deutsch-deutsche Aspekte ausrichtet. Im Rahmen dieser Arbeit lernt er den ausgewiesenen DDR-Bürgerrechtler Roland Jahn kennen. Es entwickelt sich eine fruchtbare Zusammenarbeit in der „Kontraste“-Redaktion. Beide vereint das Einreiseverbot in die DDR und das Nicht-Aufgeben-Wollen, über die wahren Probleme zu berichten. Sie halten zahlreiche Kontakte zu DDR-Oppositionellen, liefern ihnen moderne Kameratechnik, damit diese selbst Filme drehen können. Der Spiegel-Korrespondent Ulrich Schwarz schmuggelt sie schließlich nach Westberlin. Die Beiträge stoßen nicht nur auf Protest seitens der DDR, sondern auch innerhalb der ARD. Doch die „Kontraste“-Leitung bleibt hart und unterstützt die kritischen Beiträge über die Tabuthemen Umwelt, Wohnungsverfall, Jugendliche, Wahlen oder Ausreise. Nach der Friedlichen Revolution im Jahr 1989 berichtet Wensierski vermehrt über die Tätigkeit der Staatssicherheit und über die Veränderungen in Ostdeutschland. Seit 1993 arbeitet er in der Abteilung Deutschlandressort beim Nachrichtenmagazin der „Spiegel“.

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