Medienfrühling 1990


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Medienfrühling 1990

Im gesamten Land finden nun Großdemonstrationen statt. Aufgrund des Drucks der Straße muss die SED ihre Macht Stück für Stück abgeben. Diese und vor allem das Medienmonopol gibt sie nicht freiwillig auf. Die Stellvertreter der Massen, die neuen Parteien und Bürgerbewegungen müssen sich auch nach den friedlichen Demonstrationen die Pressefreiheit weiterhin erkämpfen. Beispielsweise will die neue SED-Regierung um Hans Modrow die Nachrichtenagentur als staatliche Einrichtung erhalten, was am Veto der Opposition scheitert. Der Zentrale Runde Tisch als oppositionelles Ersatzparlament und die Volkskammer arbeiten ein neues Mediengesetz aus. Der Beschluss der Volkskammer über die Gewährung der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit vom 5. Februar 1990 setzt der Zensur und dem SED-Medienmonopol endgültig ein Ende.

Dokumente:

Zeitung: Die Andere Zeitung
Quelle: ABL

Ab Januar 1990 erfolgen massenhafte Neugründungen von Zeitungen. Bis zur staatlichen Einheit Deutschlands im Oktober 1990 erscheinen etwa hundert neue Blätter. Viele der Neugründungen entstehen im Umfeld der Bürgerbewegungen und mancher Redakteur ist durch die Schule des Samisdat gegangen.

Anfang 1990 beschreiten die einstigen SED-Bezirkszeitungen den Weg in die politische Unabhängigkeit. Sie orientieren sich an neuen Themen und gehen wirtschaftliche Verbindungen mit westdeutschen Großverlagen ein. Somit können sie sich langfristig auf dem Markt behaupten. Die lokalen und oppositionellen Neugründungen verlieren zunehmend an Bedeutung und scheitern allesamt mittel- bis langfristig, auch aus wirtschaftlicher Unkenntnis. Nach der Abschaffung der für die Buchproduktion zuständigen Zensurmechanismen gründen sich zahlreiche neue Verlage. Die meisten von ihnen können sich langjährig auf dem Markt behaupten. Einzigartig im Medienfrühling des Jahres 1990 ist die Gründung des Piratensenders „Kanal X“ in Leipzig.

Das Staatliche Fernsehen und der Rundfunk werden im Rahmen des Einigungsvertrages in öffentlich-rechtliche Institutionen überführt. Die Übernahme eines Großteils des „alten“ Personals in den „neuen“ Medienbetrieb bedeutet jedoch auch konfliktträchtiges Potential mitzunehmen. Immer wieder geraten Sender und Zeitungen wegen Stasi-Verstrickungen ihrer Mitarbeiter unter öffentlichen Druck.

Kanal X

Eine Besonderheit ist die Initiierung des Fernseh-Piraten-Senders „Kanal X“ in Leipzig. Er ist der einzige seiner Art in der kurzen Zeit der „Medienanarchie“ und existiert vom Herbst 1989 bis zum Jahr 1991. Mit den gesamtdeutschen Strukturen endet für "Kanal X" die juristische Grauzone und eine Legalisierung des Senders scheitert.

Reinfall der Woche
Kanal X - oder was tut sich da?