Siegfried Wittenburg - Zensur von Bildern

Siegfried Wittenburg - Zensur von Bildern

Siegfried Wittenburg wird 1952 in Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Sein Vater, der DDR-Presse überdrüssig, bestellt alle Zeitungen ab. Stattdessen setzt er auf das Basteln von Antennen für den Westempfang. Siegfried Wittenburg absolviert von 1970 bis 1972 eine Lehre zum Funkmechaniker. Unmittelbar nach der Lehre leistet er seinen Armeedienst ab. In den Kasernen der Nationalen Volksarme ist das Hören von Westsendern streng verboten. Auch Wittenburg muss die Frequenzen der DDR-Sender markieren bzw. mit DDR-Sendern beschriftete Pflaster an das Radio anbringen.

Nach dem Ableisten der Wehrpflicht tritt er in das Berufsleben ein. Da er fotografieren möchte, spart er sich Stück für Stück Geld für einen hochwertigen Fotoapparat zusammen. Zunächst entstehen die Fotos während des Reisens. Seine Welt heißt zu dieser Zeit Prag, Budapest und Warschau. Das Wegfahren ist für ihn zugleich eine Möglichkeit, aus dem tristen Plattenbaugebiet Rostock-Lichtenhagen, in dem er aus Mangel an Wohnungen als Erwachsener noch mit seinen Eltern wohnt, zu entfliehen.

Plattenbaugebiet Rostock-Lichtenhagen
Quelle: Siegfried Wittenburg

Doch seine Fotos möchte er zunehmend nicht allein für das private Fotoalbum machen. Er sucht nach Wegen in die Öffentlichkeit und der Professionalisierung. In Leipzig wird er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, die den Studiengang Fotografie anbietet, vorstellig. Doch der dortige Professor äußert ihm gegenüber, man brauche formbare Studenten. Das gefällt ihm jedoch nicht. Schließlich wird er beim Fotoklub „Konkret“ der Warnow-Werft in Warnemünde fündig. Kaum dort eingetreten, soll er Aufnahmen für die Bezirksfotoschau einreichen. Kurzerhand lichtet er das ungeliebte Wohnumfeld Lichtenhagen mit all den Missständen ab, was für ihn zugleich eine Form des Frustabbaus ist. Doch seine Arbeiten stoßen auf wenig Gegenliebe bei den Kulturfunktionären. Zwei seiner Bilder werden willkürlich zensiert und aus der Schau herausgenommen.

Im Jahr 1982 wird Wittenburg künstlerischer und organisatorischer Leiter des Fotoklubs. Aufgrund der Qualität der Arbeiten dürfen die Laien zahlreiche Ausstellungen realisieren und ihre Fotografien werden oft hoch dotiert. Dennoch ist das Ausstellen von Bildern ein ständiges changieren zwischen Lob und Kritik, Erlaubtem und Nicht-Erlaubtem. Die Zensureingriffe erfolgen meist willkürlich. Dies abermals geschehen im Jahr 1986. SED-Kulturfunktionäre beauftragen Wittenburg, für eine Vernissage in Polen, Fotos des Klubs zusammenzustellen. Als alles zur Vorlage ausgesucht und gerahmt ist, sortiert ein Mitglied der Betriebsgewerkschaftsleitung etliche Fotos aus. Um niemanden seiner Mitstreiter/innen zu benachteiligen und auszuschließen, entscheidet sich Wittenburg alle Bilder zu entrahmen und wieder mitzunehmen. Bereits am nächsten Tag wird er unter den Vorwurf des „schweren politischen Schadens“ von seinem Posten als Leiter entlassen und erhält Hausverbot. Zur gleichen Zeit eröffnet die Staatssicherheit eine Akte und beginnt ihn auszuspionieren. Eröffnet wird die Akte gemäß den Strafrechtsparagrafen 106 (Staatsfeindliche Hetze) und 220 (Staatsverleumdung). Die Geheimpolizei setzt zahlreiche Spitzeln im beruflichen und privaten Umfeld ein, kontrolliert die Post und durchsucht die Wohnung.

UNSER SPIEL: SCHAUEN SIE SICH DIE BILDER AN ... WELCHE BILDER WURDEN ZENSIERT?

Das fotografische Interesse Wittenburgs bleibt das alltägliche Leben. Ende der 1980er-Jahre dokumentiert er vermehrt den Verfall der Städte. Im Laufe der Herbstdemonstrationen 1989 in Rostock ist Wittenburg deren fotografischer Chronist. Im Jahr 1996 entscheidet er sich für eine professionelle Tätigkeit als Fotograf.

Bildergalerie: