Wege in die Öffentlichkeit


Wege in die Öffentlichkeit

Wege in die Öffentlichkeit

In den 1980er-Jahren gründen sich immer mehr oppositionelle Gruppen, die das Medien-, Meinungs- und Informationsmonopol der SED in Frage stellen und offensiv umgehen. Genau ihre gesellschaftskritischen Themen belegt die SED mit einem Tabu und hält Informationen zurück. Die Gruppen führen ihre eigenen Veranstaltungen durch, erarbeiten Ausstellungen, malen Transparente, drucken Flugblätter oder Plakate. Es kommt immer wieder zu Protestaktionen oder Protestmärschen, mit dem Versuch Öffentlichkeit herzustellen. Dieses öffentliche Agieren für Frieden, Umwelt oder Menschenrechte bekämpft die SED mit ihren Repressionsorganen. Die Aktivisten müssen mit beruflichen und sozialen Nachteilen rechnen und sind Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt.

Vervielfältigungstechnik
Quelle: ABL

Diese Gruppen bauen sich ab Mitte der 1980er-Jahre ihre eigene Publizität auf. Vor allem entwickeln sich facettenreiche Untergrundschriften – der Samisdat. Illegale Hefte werden ohne staatliche Genehmigung produziert, vervielfältigt und unter der Hand weitergereicht. Neben den eher politisch und gesellschaftskritisch orientierten, zum Teil periodisch erscheinenden Broschüren entstehen auch Veröffentlichungen künstlerischer und literarischer Natur. Musikzeitschriften erreichen zum Beispiel die alternativen Jugendkulturen.

Oppositionelle oder kirchliche Netzwerke befördern den regen Austausch und der Leserkreis weitet sich aus. In einigen Städten entstehen alternative Umwelt- oder Friedensbibliotheken, die Materialien über Tabuthemen sammeln und verbreiteten. Diese Bibliotheken fungieren auch als „Umschlagplatz“ der Samisdat-Veröffentlichungen.

Samisdat Cover: Umweltblätter
Quelle: ABL

Die erste Umwelt-Bibliothek wird im September 1986 in Berlin gegründet. Dort werden auch die Umweltblätter hergestellt, die zu den am weitesten verbreiteten Untergrundzeitschriften in der DDR gehören. Die SED und ihre Behörden versuchen, die Herstellung und Verbreitung zu unterbinden. Die Staatssicherheit stuft den Samisdat als „politische Untergrundtätigkeit“ ein, welche sie ermächtigt aktiv zu werden. Der Geheimpolizei gelingt es mehrfach das Erscheinen von Heften zu verhindern. Zudem geht sie mit repressiven Methoden gegen Herausgeber und Autoren vor. Es kommt zu Bespitzelungen, Einschüchterungen und Verhaftungen. Doch auch dies nicht immer mit erwünschtem Erfolg: Im November 1987 überfällt die Staatssicherheit die Umwelt-Bibliothek, um die Aktivisten beim Drucken des illegalen Heftes „grenzfall“ zu erwischen. Doch sie drucken gerade die Umweltblätter, die nicht als strafrechtlich eingestuft sind. Dennoch verhaftet die Geheimpolizei alle Beteiligten. Durch nationale und internationale Proteste kommen sie nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß. Trotz der Kriminalisierung gelingt es der SED nicht, diese Form der kritischen Öffentlichkeit vollständig zu kontrollieren.

Audio:

Im November 1987 überfällt die Staatssicherheit die Umwelt-Bibliothek
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Trotz der Vielzahl an Samisdat-Heften können sie das Medienmonopol der SED nicht gänzlich durchbrechen. Zu sehr kursieren sie nur in bestimmten Kreisen. Auch die Zahlen offenbaren die waren Machtverhältnisse zwischen Parteipresse und oppositionellen Schriften. Die Auflage eines Samisdat-Heftes liegt im Schnitt zwischen 100 und 800 Stück. Dem stehen im Jahr 1988 beispielsweise 39 staatlich gelenkte Tageszeitungen mit einer Auflage von 9,6 Millionen Exemplaren gegenüber.

Dokumente:

Link:

Glasnost von unten - Drang nach Pressefreiheit (Link zur Bundeszentrale für politische Bildung, bpp